Wie umfassend Algorithmen bereits in unser Leben und in Entscheidungsfindungen eingreifen, zeigte Dr. Guido Noto La Diega von der englischen Northumbria University auf beeindruckende Weise in seinem Gastvortrag zum Thema „Against the dehumanization of decision-marking“.
Mit aktuellen Beispielen machte der Dozent für Intellectual Property den interessierten Zuhörern im vollbesetzten Hörsaal deutlich, wie einflussreich Algorithmen bereits sind. Da gab es zum einen Marica. Die Italienerin arbeitet bei IKEA und ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Eins davon braucht wegen einer Behinderung besondere Betreuung. Dafür hat sie mit ihrem Vorgesetzten vereinbart, ihren Arbeitsbeginn von 7 auf 9 Uhr zu verlegen. Allerdings sorgte ein Algorithmus dafür, dass sie nach dem dreimaligen Erscheinen zur späteren Uhrzeit gekündigt wurde. Das Verfahren läuft noch.
Zum anderen wurde auch das Leben des Amerikaners Eric durch einen Algorithmus erheblich beeinflusst. Er wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Vergehen: Er flieht mit einem Auto, das er von einem kriminellen Freund geliehen hat, vor einer Polizeikontrolle. Ein Algorithmus stuft ihn daraufhin als gefährlich ein und der zuständige Richter folgt dem Strafmaß, das von der künstlichen Intelligenz vorgeschlagen wurde.
Selbst bei behördlichen Aktivitäten könne ein Algorithmus für jeden von uns eine falsche Entscheidung treffen. Sei es beim Hochladen eines Passfotos – das Programm zeigte einem Asiaten fälschlicherweise an, er habe die Augen geschlossen. Dabei war der Algorithmus auf europäische Gesichtszüge ausgelegt. Oder auch bei der Erhebung der Steuerbelastung, die in Frankreich und Italien laut Referent bereits nach Algorithmen erhoben werde. Hiergegen könne sich aber jeder wehren, denn das Recht auf Informationsfreiheit soll diese Willkür verhindern und dafür sorgen, dass man Zugriff auf seine Daten erhält.
Letztendlich hielt Noto La Diega fest, dass Algorithmen eine gute Hilfe sein können, aber nie komplett Entscheidungen übernehmen sollten. Um über die Daten weiterhin Kontrolle zu haben, tritt im Mai dieses Jahres die EU-Datenschutz-Grundverordnung (General Data Protection Regulation) in Kraft.
Im Anschluss an den Vortrag – den Kontakt hat ein Student der Fakultät Wirtschaftsrecht hergestellt – gab es eine rege Diskussion mit Professoren und Studierenden. Auf die Frage eines Studenten, ob die künstliche Intelligenz die Arbeitsplätze der Juristen gefährde, fand Noto La Diega eine passende Antwort: Neue Probleme entstünden, die nur die kommende Generation an Juristen lösen könne, weil sie up to date sei. Sie sei wichtiger denn je und es sei für sie eine spannende Herausforderung, mit künstlicher Intelligenz umzugehen.
Prof. Sven Müller-Grune, Dekan der Fakultät Wirtschaftsrecht,
bedankte sich bei Dr. Guido Noto La Diega